Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: Die Halle der Welt mit Licht erfüllen

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Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: Die Halle der Welt mit Licht erfüllen, veröffentlicht am 18.12.2020 von osthessennews.de

Nicht wie sonst üblich aus der biblischen Mythologie, sondern diesmal aus dem Märchenschatz der Philippinen präsentiert Märchenonkel Stadtpfarrer Stefan Buß heute einen Gesellschafts- und Materialismuskritischen Beitrag:

Es war einmal ein König, der hatte zwei Söhne. Als er alt wurde, wollte er sie auf die Probe stellen. Dem Weiseren von beiden wollte er sein Reich und die Herrschaft übertragen. Er rief seine Söhne zu sich, gab jedem fünf Silberstücke und sagte: „Für dieses Geld sollt ihr die Halle meines Schlosses bis zum Abend füllen. Womit, das ist eure Sache.“
(Quelle: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: Die Halle der Welt mit Licht erfüllen, veröffentlicht am 18.12.2020 von osthessennews.de)

Wer weiß, dass Märchen oft die aus (monotheistischen) Glaubenskonstrukten bekannten Gut-Böse- oder Falsch-Richtig-Dualismen beinhalten, kann hier schon vermuten, wie die Sache wohl ausgehen wird.

Der älteste Sohn kauft für die fünf Silberstücke „nutzloses“ Stroh, das er von den Feldarbeitern in die Halle bringen lässt. Mission completed.

Und weil er als erster die Aufgabe des Vaters erfüllt hatte, war er sich sicher, die Herrschaft übertragen zu bekommen. Doch der hatte seine Aufgabe ja nicht so gestellt, dass derjenige, dem es als erster gelingen würde, die Halle mit irgendetwas zu füllen gewinnen würde. Außer der zeitlichen Bedingung „bis zum Abend“ und den 5 Silberstücken gab es gar keine bestimmten Vorgaben.

Warum liegt hier überhaupt Stroh rum?

Aber von wegen: „Warum liegt hier überhaupt Stroh rum?“, fragte sich sein jüngerer Bruder am Abend. Und ließ das vermeintlich unbrauchbare Füllmaterial entfernen. Danach stellte er eine Kerze in die Halle, die sie mit Licht erfüllte.

Der Vater war schwer beeindruckt:

„Du sollst mein Nachfolger sein. Dein Bruder hat fünf Silberstücke ausgegeben, um die Halle mit diesem nutzlosen Zeug anzufüllen. Du hast nicht einmal ein Silberstück gebraucht und hast sie mit Licht erfüllt. Du hast sie mit dem gefüllt, was die Menschen am notwendigsten brauchen.“

Das Schöne an Märchen ist, dass man sie beliebig weiterspinnen kann. Zumindest, solange ihr Inhalt nicht wie in bestimmten anderen Mythologien dogmatisch festzementiert ist.

Zum Beispiel so könnte es weitergegangen sein:

Darauf antwortete der Ältere: „Aber Vater, in deiner Aufgabe war keine Rede davon, dass das Füllmaterial für irgendetwas nützlich oder sinnvoll sein müsse. Du hattest doch sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es unsere Sache ist, womit wir deine Halle füllen. Die einzige Vorgabe war, dass die Halle bis zum Abend gefüllt sein müsse.

Außerdem hattest du uns für diese Prüfung ein Budget von 5 Silberstücken zur Verfügung gestellt. Mit diesen habe ich das Stroh und die Arbeiter bezahlt, die es in die Halle gebracht haben.

Ich hatte dazu von meinem Geld noch weitere 5 Silberstücke für die Arbeiter draufgelegt, weil sie extra meinetwegen ihre Arbeit unterbrochen hatten, damit ich deine Aufgabe in der vorgegebenen Zeit erledigen konnte. Von diesem Geld können sie jetzt ihre Familien eine Woche lang ernähren und der Bauer kann sich einen neuen Karren kaufen, der ihm die Feldarbeit erleichtert.

Da ich deine Aufgabe auf diesem Weg schnell erledigen konnte, hatte ich den Rest des Tages noch Zeit, um einen kranken Freund zu besuchen und danach unserem Nachbarn bei der Reparatur seines Holzofens helfen.“

Und zu seinem jüngeren Bruder sagte er: „Was hast du denn eigentlich heute so den ganzen Tag gemacht, außer eine Kerze zu kaufen?“

Da kam der alte Vadder ins Grübeln. Schließlich sagte er: „Da war ich wohl etwas zu vorschnell in meinem Urteil. Ich hatte mich von dem flackernden Kerzenschein einlullen lassen und darüber ganz vergessen, dass es immer eine gute Idee ist, den Dingen auf den Grund zu gehen und nochmal nachzufragen. Ich werde mir eine neue Aufgabe für euch ausdenken – und mit dem Stroh mulchen wir unsere Felder…“

Hauptsache, es flackert

Für Herrn Buß genügt es, dass irgendwo eine Kerze brennt, um das Verhalten von Menschen einschätzen zu können:

Das Leben der anderen mit Licht füllen, mit Zuwendung, Verständnis, einem aufbauenden Wort, einer liebreichen Geste. Das ist nicht nur in der Adventszeit sinnvoll und segensreich, sondern an jedem Tag des Jahres.

…Womit wir wieder beim Symbolismus aus seinem letzten „Impuls“ wären. Denn genauso wenig, wie eine Schwalbe schon einen Sommer macht, bedeutet das Entzünden einer Kerze, dass sich jemand deshalb auch mit Zuwendung, Verständnis, aufbauenden Worten oder liebreichen Gesten als besonders altruistisch erweist.

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